Zurück zu den Wurzeln - gemeinsam neue Wege gehen

Hier sind wir erreichbar

+49 (1512) 7500953

 

Lebensraum Wiese

Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), auch Echt-JohanniskrautGewöhnliches JohanniskrautDurchlöchertes JohanniskrautTüpfel-Johanniskraut oder Tüpfel-Hartheu, meist kurz Johanniskraut oder Johanneskraut, genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Johanniskräuter (Hypericum) innerhalb der Familie der Hypericaceae (früher Hartheugewächse). Es findet Anwendung als Heilpflanze, vor allem als mildes Antidepressivum.

Hypericum perforatum 250605 1

Beschreibung

 

Vegetative Merkmale

Das Echte Johanniskraut ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 15 bis 100 Zentimetern erreicht. Sie bildet stark verzweigte Wurzelkriechsprosse und eine spindelförmige, bis zu 50 Zentimeter tief reichende Wurzel. Der aufrechte Stängel ist durchgehend zweikantig und innen markig ausgefüllt (nicht hohl). Dadurch unterscheidet sich das Echte Johanniskraut von anderen Johanniskrautarten. Im oberen Bereich des Stängels ist das Echte Johanniskraut buschig verzweigt.

Die gegenständig angeordneten Laubblätter sind mehr oder weniger sitzend. Die einfache Blattspreite ist bei einer Länge von bis zu 3 Zentimetern oval-eiförmig bis länglich-linealisch. Die Blattspreite ist dicht mit durchscheinenden Öldrüsen besetzt. Der Blattrand ist mit schwarzen Drüsen punktiert. Bei den zahlreichen durchscheinenden Punktierungen der Spreite handelt es sich um Gewebslücken, die durch Spaltung oder Auseinanderweichen von Zellwänden entstanden sind und in denen das helle ätherische Öl konzentriert ist.

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Der meist reichblütige trugdoldige Blütenstand ist aus Dichasien mit (zur Fruchtzeit gut erkennbaren) Schraubeln zusammengesetzt.

Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf Kelchblätter sind bis zu 5 Millimeter lang, länger als der Fruchtknoten, (ei)-lanzettlich, fein grannenartig zugespitzt, mit hellen und schwarzen Drüsen. Die fünf goldgelben Kronblätter sind bis 13 Millimeter lang, nur auf einer Seite gezähnt und am Rande schwarz punktiert. Die Kronblätter enthalten in Gewebslücken das blutrote Hypericin, das beim Zerreiben (am besten mehrere Blütenknospen nehmen) auf den Fingern eine Rotfärbung hinterlässt. Die einzelnen Kronblätter sind aufgrund ihrer gedrehten Knospenlage etwas asymmetrisch, sodass die ganze Blüte in offenem Zustand einem „Windrad“ ähnlich sieht. Die 50 bis 60, manchmal bis 100 Staubblätter umgeben in drei Büscheln angeordnet den Fruchtknoten. Aus den drei Staubblattanlagen entstehen durch zentrifugales Dedoublement drei Cluster mit insgesamt bis zu 100 Staubblättern; siehe Sekundäre Polyandrie.[3] Der oberständige, ovale Fruchtknoten ist in drei Fächer unterteilt, die kürzer sind als die Kelchblätter. Statt Nektar ist ein anbohrbares Gewebe von unsicherer ökologischer Bedeutung vorhanden.

Die Frucht ist eine schmal-eiförmige, bis 10 Millimeter lange, geriefte dreifächrige Spaltkapsel. Die Samen sind bei einer Länge von etwa 1 Millimetern länglich, gebogen und fein netzförmig.

1440px Hypericum perforatum 1 jgreenlee 5097283755

Von Superior National Forest - Hypericum_perforatum_1-jgreenleeUploaded by AlbertHerring, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29789424

Ökologie

Beim Echten Johanniskraut handelt es sich um eine sommergrüne Schaftpflanze (überwinternde Pflanze ohne Rosette) und Hemikryptophyten. Es wurzelt bis 50 Zentimeter tief.[4]

Blütenökologisch handelt es sich um eine homogene „Pollen-Scheibenblumen“. Fremdbestäubung erfolgt durch Pollen suchende Insekten. Besucher sind besonders Bombus-Arten und Bienen- und Schwebfliegen-Arten. Selbstbestäubung ist durch die räumliche Trennung von Griffelästen und Staubbeutelbündeln erschwert, ist aber beim Schließen der Blüten möglich, wenn die schrumpfenden Kronblätter die Blüte wieder einhüllen. Am Abend und beim Abblühen rollen sich die Blütenblätter an den Seiten in der Längsachse ein.

Die kleinen Samen der bei Trockenheit geöffneten Kapselfrüchte werden von Tieren verschleppt (Zoochorie) oder durch den Wind verbreitet (Ballonflieger). Vegetative Vermehrung erfolgt durch Wurzelkriechsprosse.

Giftigkeit

Die Pflanzenteile sind leicht giftig. Die getrockneten Blüten des Behaarten Johanniskrauts enthalten bis zu 1,4 % des roten Farbstoffes Hypericin („Johannisblut“). Die Hypericin-Aufnahme führt bei nicht pigmentierten (weißen) Weidetieren (Pferde, Schafe, Ziegen etc.) nach der Bestrahlung durch Sonnenlicht zu Hämolyseerscheinungen („Hartheukrankheit“).

Vorkommen

Das Echte Johanniskraut ist die in Europa am weitesten verbreitete Art der Gattung Hypericum und in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch. In Ostasien, Nord- und Südamerika und in Australien ist es eingebürgert worden. Man findet es in tiefen bis mittleren Höhenlagen. Es wächst verbreitet in Gebüschsäumen, an Waldrändern, Wegen und Böschungen, in Magerwiesen und -rasen, in Ginster- und Heidekrautheiden, in Brachen und Waldverlichtungen oder auf Bahnschotter als Pionierpflanze. Es gedeiht in Gesellschaften der Klassen Trifolio-Geranietea, Epilobietea angustifolii oder auch des Verbands Dauco-Melilotion.[4]

Das Echte Johanniskraut tritt vorwiegend in größeren Gruppen auf, allerdings sind diese selten bestandsbildend. Als ökologische Zeigerwerte nach Ellenberg wird Hypericum perforatum als Halbschattenpflanze für mäßigwarme bis warme Standorte bei gemäßigtem Seeklima angegeben. Die angezeigte Bodenbeschaffenheit ist gleichmäßig trocken bis mäßig feucht und stickstoffarm, niemals jedoch stark sauer.

Anbau

Aufgrund der Verwendung als Heilpflanze wird das Echte Johanniskraut landwirtschaftlich angebaut.[8] Gleichzeitig gilt es im übrigen landwirtschaftlichen Anbau als „Unkraut“ und Weideunkraut.

Für die Produktion verschiedener Präparate auf Johanniskrautbasis werden Kultursorten des Johanniskrauts unter Feldbedingungen angebaut.

Bei der Züchtung geeigneter Sorten spielt die Anfälligkeit gegenüber der Pilzkrankheit Rotwelke eine wesentliche Rolle. Es stehen mehrere Sorten zur Verfügung (Stand: 26. April 2004[9]): Anthos, Hyperixtrakt, Motiv, Uperikon, Hyperimed, Hyperiflor, Vitan, Hyperipharm und Hyperisol.

Die Aussaat erfolgt im Frühjahr oder Herbst, auch eine Pflanzung „vorgezogener Setzlinge“ im Frühjahr ist möglich. Gedüngt wird nur wenig, vor allem hohe Stickstoffgaben senken den Hypericingehalt in der Droge. Unkraut muss per Striegel sowie mit Maschinen- und Handhacke reguliert werden, gegen die Rotwelke darf nach der Ernte ein Fungizid eingesetzt werden.

Die Kultur erfolgt über zwei bis drei Jahre, geerntet wird ein bis zweimal jährlich. Dabei werden die Knospen, Blüten und Zweigspitzen zur Blütezeit geerntet. Für Frischware wird das Kraut von Hand oder mit einer Pflückmaschine geerntet. Zur Trocknung vorgesehenes Gut wird mit Spezialmaschinen oder umgebauten herkömmlichen Erntemaschinen (Mähdrescher, Feldhäcksler) eingebracht. Die Krauterträge schwanken stark und liegen zwischen 4 und 26 t Frischmasse pro Hektar.

Den Pflanzen wird unmittelbar nach der Ernte bei 40–60 °C auf Satz-, Horden- oder Bandtrocknern das Wasser bis auf 10 % Restfeuchte entzogen.

Je nach Umweltbedingungen, zum Beispiel unterschiedlich starker Bestrahlung mit UV-B-Licht, verändert sich der Gehalt bioaktiver Inhaltsstoffe.[10]

810px Hypericum perforatum 09

Von Bjoertvedt - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4381258

Medizinische Anwendung

Echtes Johanniskraut ist eines der in Europa am häufigsten als Beruhigungsmittel und Antidepressivum eingesetzten Phytopharmaka.[11] Die Wirksamkeit ist besser belegt als bei anderen pflanzlichen Präparaten mit vergleichbarem Anwendungsgebiet, wie etwa Lavendelöl und Passionsblumenextrakt, wenn es auch Kritik an der Methodik und Aussagekraft der Studien gibt. Im Allgemeinen sind weniger Nebenwirkungen zu erwarten als bei synthetischen Standard-Antidepressiva.[12]

Bereits in der Antike wurde Johanniskraut als Heilpflanze verwendet. Neben dem Echten Johanniskraut (Hypericum perforatum) kamen (als „Sant Johans Kraut“ und ähnlich benannt) bis in die Neuzeit auch Blut-Johanniskraut (Hypericum androsaemum) und Quirlblättriges Johanniskraut (Hypericum coris)[13] sowie Arnika zum Einsatz.[14] Heute wird Hypericum perforatum als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von leichten bis mittelstarken depressiven Verstimmungen oder nervöser Unruhe eingesetzt. Äußerlich werden ölige Zubereitungen angewendet. Die Pflanze wurde im Herbst 2014 von Wissenschaftlern der Universität Würzburg („Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“) mit Verweis auf das große medizinische Potenzial zur „Arzneipflanze des Jahres 2015“ gewählt.[15]

Wirksamkeit bei der Behandlung der Depression

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) führt gemeinsam mit anderen Organisationen und Fachgesellschaften (BÄK, KBV, AWMF) Johanniskraut in der S3-Leitlinie/Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression aus dem Jahr 2015 als Möglichkeit eines ersten Therapieversuchs bei einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode an. Da nicht genau bekannt ist, welche Inhaltsstoffe in welcher Dosierung und über welchen Mechanismus für die antidepressive Wirkung von Johanniskraut verantwortlich sind, empfiehlt die Leitlinie solche Präparate einzusetzen, deren klinische Wirksamkeit in eigenen Studien gezeigt wurde. Der Einsatz von Johanniskraut bei leichter bis mittelgradiger Depression hat in der Leitlinie den Empfehlungsgrad 0 (= „Kann“-Empfehlung: „Berichte von Expertenkreisen oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten (Evidenzkategorie IV) oder Extrapolation von Evidenzebene IIa, IIb oder III. Diese Einstufung zeigt an, dass direkt anwendbare klinische Studien von guter Qualität nicht vorhanden oder nicht verfügbar waren.“)[16]

Die pharmakologische Wirksamkeit von Johanniskraut in der Therapie der Depression ist allerdings umstritten. Es gibt sowohl klinische Studien, die eine Wirksamkeit feststellten, als auch solche, die keine Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen. Eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 wertete 29 Studien mit zusammen mehr als 5000 Patienten aus, bei denen nach DSM- oder ICD-10-Kriterien eine Depression (major depressive disorder) vorlag. Die Autoren sehen in den Studien Evidenz, welche nahelegt, dass die Wirksamkeit der Johanniskrautextrakte in den Studien gegenüber Placebo überlegen ist und vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva bei besserer Verträglichkeit und geringeren Abbruchraten sei. Da die in den Studien festgestellte Wirksamkeit auch von dem Land, aus dem die Studie stamme, und ihrer Präzision abhänge, könne nicht ausgeschlossen werden, dass einige kleinere Studien aus deutschsprachigen Ländern mängelbehaftet seien und zu optimistische Resultate berichteten.[17] Klinische Leitlinien aus Deutschland, Kanada, den USA und Großbritannien sehen die Wirkung von Johanniskraut noch am besten bei milder oder mittelgradiger Depression nachgewiesen.[18]

Eine erneute Metaanalyse aus dem Jahr 2016, die im Vergleich zum 2008 veröffentlichten Cochrane-Review auch einige neuere Studien miteinbezieht, kommt zu einem ähnlichen Fazit wie letztere.[19]

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen ging 2009 davon aus, dass Johanniskraut einen Effekt bei leichten Depressionen hat. Generell gab es jedoch eine deutliche Abhängigkeit des Effektschätzers von der Studienqualität: Je schlechter die Qualität der Studien ist, desto größer stellt sich das Ausmaß der aufgezeigten Effekte dar und umgekehrt. Bei Betrachtung allein derjenigen Studien mit der besten methodischen Qualität zeigt Johanniskraut nur einen sehr geringen Effekt. Weiterhin geht das Institut davon aus, dass Johanniskraut bei schweren Depressionen nicht hilft. Es erwies sich bei schweren Depressionen in keiner Studie als dem Placebo überlegen.[20]

Die jetzigen Studien liefern noch nicht genügend Daten, um unterschiedliche Johanniskraut-Extrakte miteinander vergleichen zu können oder die optimale Dosis zu ermitteln.[21] Bei leichten Depressionen konnte jedoch in einer Studie eine Dosis-Wirkungsbeziehung experimentell nachgewiesen werden.[22]

Sven Schwarz

Swiststraße 8
53919 Weilerswist
Tel.: +49 1512 7500953

Weitere Informationen unter

+49 (1512) 7500953